Theater 2016
Selfies, Spuk und Schmieröl
Von Lampenfieber ist im Ensemble des Burgtheatervereins momentan noch nicht viel zu bemerken. Bei den Proben, die zurzeit in der Schulturnhalle Mitterfels stattfinden, ist bei aller Professionalität immer noch genügend Zeit für Scherze. Es wird viel gelacht, aber auch blitzschnell in den Konzentrationsmodus umgeschaltet, wenn es die Rolle erfordert.
Der Burgtheaterverein führt in diesem Sommer auf der Freilichtbühne in Mitterfels achtmal „Das Gespenst von Canterville“ von Oscar Wilde auf. Das Team um Vereinsvorsitzenden Josef Simmel hat sich die Ziele auch in diesem Jahr wieder hoch gesteckt und möchte an frühere Erfolge wie „Der Mann von La Mancha“, „My Fair Lady“ und „Die Dreigroschenoper“ anknüpfen.
Simmel, der den zweiten Polizisten spielt, erklärt, was das Laientheater für ihn so besonders macht: „Nach dem Krieg waren solche Theateraufführungen verboten. Erst nach und nach wurden Wohltätigkeitsaufführungen erlaubt. Seitdem hat sich viel getan. 2001 gründeten wir den Burgtheaterverein hier in Mitterfels und mittlerweile haben wir rund 100 Mitglieder, die uns fördern und zum Teil auch aktiv mit anpacken.“
Der Verein verkauft jedes Jahr rund 2000 Eintrittskarten. Der Gewinn aus diesem Verkauf wird aber fast komplett wieder investiert. Auch Fördermittel vom Staat habe der Verein schon erhalten. „Für Geld spielt aber hier niemand. Es macht einfach Spaß, ein Theaterstück auf die Beine zu stellen. Und wir haben uns zum Ziel gesetzt, unsere Werke generationsübergreifend zu inszenieren“, erklärt Simmel. Der 59-jährige Software-Ingenieur lebt und liebt sein Theater.
Liebe zum Werk ist auch notwendig. Denn das diesjährige Stück aus dem 19. Jahrhundert hat es in sich. Die Gruppe verlegte den historischen Stoff ins 21. Jahrhundert. Die Szenen verlangen den Schauspielern viel Einfühlungsvermögen und komödiantisches Talent ab. Die hypermoderne amerikanische Familie Otis startet samt Kind und Kegel eine regelrechte Invasion auf Schloss Canterville und zieht mit unzähligen Handy-Selfies und chemischer Keule ins verstaubte Anwesen ein.
Mittendrin spukt das mehr und mehr entsetzte Gespenst Sir Simon, gespielt vom zweiten Vereinsvorsitzenden Daniel Edenhofer, und versteht die Welt nicht mehr. „Da prallen Welten aufeinander“, erklärt er. „Ich versuche, die cholerische Ader des Schlossgespenstes rauszuarbeiten“, stellt Edenhofer lachend seine Rolle vor. „Sir Simon ist halt ein bisschen psychopathisch. Deshalb ist es schon eine Herausforderung für mich, mit Mitte 20 in die Rolle eines 300 Jahre alten toten Adeligen zu schlüpfen. Da müssen unter anderem die Bewegungen stimmen und authentisch sein.“
Wenn Edenhofer auf die Bühne tritt und mit seinem Spuk beginnt, wird das gruselige Treiben schnell skriptgerecht ausgebremst. Total überfordert ist das Gespenst mit den modernen Schlossbewohnern, als seine knarzenden Ketten vom Vater der Familie Otis, gespielt von Manfred Schudy, mit Schmiermittel behandelt werden. Seine Frau, dargestellt von Tatjana Schmeißl, habe einen sehr leichten Schlaf und wenn der durch allzu laute Geräusche gestört werde, dann müsse er wieder unter ihrer Migräne leiden. Also, spuken ja, aber bitte leise! Regisseur Sepp Fischer aus Regensburg arbeitet gerne mit dem engagierten Schauspiel-Ensemble und erklärt kurz und verständlich bei den Proben, was er auf der Bühne sehen möchte. Der erfahrene Theaterfachmann sorgt für den Feinschliff des Stücks. Er ist ein Multitalent und arbeitet nicht nur als Regisseur, sondern ist unter anderem auch in Akrobatik ausgebildet. Deshalb kann er die Schauspieler mit Tipps zum richtigen Timing unterstützen. So fliegt eine Flasche unter seiner Erklärung elegant von einem Darsteller zum anderen, wenn Vater Otis nach ihr verlangt. Ein Blick, ein kurzes Deuten und die Flasche liegt sprühbereit in den Händen des Darstellers.
Fischer legt Wert darauf, dass alle am Stück arbeitenden Personen vom Publikum gewürdigt werden. Wie beim Profitheater sei auch hier eine gute Besetzung notwendig, um das Theaterstück voll Humor, Romantik, Liebe und Vergebung auf die Bühne zu bringen. „Wir achten darauf, dass es unter den Schauspielern wenig Hierarchien gibt! Daneben muss alles andere aber auch stimmen. Es gibt die Produktionsleitung, die Finanzierung, die Dramaturgie, das Bühnenbild, die Technik, Fotografen und mehr: Alle müssen an einem Strang ziehen.“ Die eigentlichen Aufführungen seien etwa 20 Prozent der Arbeit an dem Stück. „Es hängt so viel dran, bis der erste Satz fällt“, gibt Regisseur Fischer zu bedenken.
Was wünscht sich Fischer für das Projekt? „Ich möchte, dass die Arbeit gut läuft und das Stück so gut wird, wie es sein kann“, schließt er seine Erklärungen und begibt sich wieder auf die Bühne, um die Anstrengungen seiner Schauspieler hautnah zu kontrollieren. Er kritisiert dabei nicht, er leitet an. Dabei schlüpft er zeitweise selbst in Rollen und bewegt sich wieder aus ihnen heraus, um erneut als Regisseur zu fungieren.
Noch sind die Schauspieler bei den Proben der ersten Szenen. In den nächsten Monaten arbeiten sie sich zum Finale des Stücks vor. Bis zum Ende der Probenzeit werden noch viele Teenie-Selfies im Stück geschossen werden, wird noch oft die Wasserflasche fliegen und viel Kettengerassel zu hören sein. Im Sommer wird es aber dann auf der Mitterfelser Freilichtbühne heißen: „Vorhang auf und Bühne frei für ,Das Gespenst von Canterville‘“.
Das Schauspiel
„Das Gespenst von Canterville“ ist am 24., 25., 26. und 30. Juni und am 1., 2., 3. und 8. Juli, jeweils ab 20 Uhr, auf der Mitterfelser Freilichtbühne zwischen den alten Burgmauern zu sehen. Der Kartenverkauf läuft bereits beim Leserservice des Straubinger Tagblatts unter der Telefonnummer 09421/9406700. Mehr Informationen und Kontaktadressen gibt es im Internet unter www.burgtheaterverein-mitterfels.de.
Bogener Zeitung 23.04.2016, Von Doris Emmer