Burgtheaterverein entführt Zuschauer Schritt für Schritt in kuriose Elfenwelt

Sanftes Entschlummern in einen Traum
 

Noch auf dem harten Boden der Realität beginnt in Mitterfels die Premiere des Stücks von William Shakespeare, das in einem sommernächtlichen Traum enden soll: Es ist noch hell am Donnerstag bei der ersten Station auf dem altertümlich anmutenden Wenzlhof im Weingraben.

Auf gleicher Höhe zur Bühne steht ein Grill am Rand, zwei Feuerwehrleute in orangen Warnwesten gesellen sich dazu. Die Sommernacht ja, der Traum erst mal noch nicht.

Dieser Bruch kann durchaus gewollt sein, verstärkt er doch gerade den Kontrast zwischen Realität und traumhafter Elfenwelt der Komödie. Der Gegensatz und vor allem der Übergang in die surreale Welt ist es, von dem diese Aufführung lebt. Denn der Sommernachtstraum an sich ist auf den großen Bühnen schon zur Genüge gespielt worden, und daher ist es umso schwieriger für ein Laientheater, diesen Traum neu zu beleben.

Doch genau das ist Regisseur Sepp Fischer und dem Burgtheaterverein in Mitterfels gelungen. Wie? Mit der Inszenierung als Stationentheater vor einer wahrlich traumhaften Naturkulisse. Das Publikum verharrt die rund drei Stunden nicht starr vor einer Bühne, sondern wird auf drei Stationen mitgenommen auf den Weg in die Elfenwelt, die sich später als Traum entpuppen wird. Oder doch nicht? Traum oder nicht, Zettl rät den Zuschauern jedenfalls von einer Deutung ab: „Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich einfallen lässt, diesen Traum auszulegen.“

Zumindest die Traumhochzeit von Theseus und Hippolyta steht bevor. Da platzt Egeus (Klaus Kleine) wutentbrannt herein. Dessen Tochter Hermia (Kerstin Buschmann) ist in Lysander (Michael Keil) verliebt, der Vater hat aber Demetrius (Jan-Markus Pöhls) Hermias Hand versprochen. In den wiederum ist Helena, gespielt von Michaela Hofmann, unsterblich verliebt. Verschmäht, verachtet und trotzdem verliebt – diese Rolle spielt Hofmann mit vollem Körpereinsatz und Temperament. Sie schreit, stampft und schnaubt, weil sie Demetrius’ Nein einfach nicht akzeptieren will. Eine begabte Stalkerin.

Sterben soll nun Hermia oder nie wieder einen Mann haben, wenn sie sich gegen des Vaters Willen stellt. So lautet Theseus Machtwort. Es gibt nur einen Weg für das junge Glück: die Flucht. Dicht auf den Fersen die Zuschauer.

Auf dem Weg zur Lichtung treffen diese auf die Handwerker, die wiederum ein Theaterstück im Stück für die Hochzeit planen. Sie nutzen die Bühne, die keine ist, und kommen aus allen Ecken herausgestürmt. Allen voran Ben Gröschl, der Zettl spielt. Am liebsten würde der alle Rollen spielen – den Pyramus, die Thisbe und eigentlich auch den Löwen. Dass er auch Frauenrollen spielen könnte, beweist er mit einer säuselnden Kostprobe; dass er später noch zum Esel „transvestiere“ – mit diesem Versprecher erntet Schlucker (Lukas Butterworth) die Lacher der Zuschauer – weiß die „Rampensau“ Zettl an dieser Stelle noch nicht.

Das Liebeswirrwarr nimmt in der Elfenwelt mit allerlei Verwechslungen, Zaubermittelchen und Verwandlungen seinen Lauf. Die Kulisse rund um den Wenzlhof mit weiten Wiesen, Wald und Weiher lassen den Zuschauer vollkommen eintauchen in den Mitterfelser Sommernachtstraum. Wie bei einem sanften Einschlummern gehen sie auf die Reise, geführt vom Philostrat (Hanna Turowski), vom Hof von Theseus und Hippolyta in die Elfenwelt von Titania und Oberon über. Simone Steininger und Manfred Schudy spielen diese Doppelrollen. Auch sie scheint der Ortswechsel zu verändern. Sie gehen in den surreal angelegten Rollen als Oberon und Titania im Vergleich zu Theseus und Hippolyta sichtlich auf. Schon ihr Erscheinen ist herrschaftlich inszeniert: Titania wird von kleinen Elfen auf einem Wagen hereingeschoben, Oberon rollt in Ledermontur und düsterer Musik mit einem Bulldog in die Lichtung.

Der König der Elfen setzt seinen Diener Puck (Heribert Schambeck) mit einer Zauberblume auf die vier jungen Liebenden an. Anstelle jedoch Demetrius in Helena zu verlieben, entliebt er versehentlich Lysander von Hermia. Vor allem die beiden Schauspielerinnen toben sich dabei voll aus, stürmen über die Wiese und fetzen sich im Gras. Ihr grelles Keifen und Schreien hallt über die ganze Wiese.

Zudem will Oberon seiner Frau Titania einen Streich spielen, um ihr ein indisches Kind zu entführen: Ebenfalls durch einen Zauber soll sie sich bei Erwachen in etwas Ekelhaftes verlieben – dafür verwandelt Puck den Handwerker Zettl in einen Esel. Der wird seiner Tierrolle mehr als gerecht, frisst sogar das Gras auf der Wiese.

Besonderer Blickpunkt ist die Elfen-Bühne inmitten eines kleinen Weihers. Für den Zuschauer bleibt sie geheimnisvoll und gleicht einem Paradies, in dem der Esel Zettl wie ein König von den Elfen bedient wird. Die schwimmende Bühne scheint durch die Entfernung vom Zuschauer wie ein Traum nicht richtig fassbar zu sein. An der ein oder anderen Stelle geht dadurch zwar die Mimik der Schauspieler verloren, dennoch entzieht sich so die Elfenwelt auf besondere Weise der Wirklichkeit.

Zurück auf den Boden der Realität und auf die Theaterbühne holt das Stück die Zuschauer schließlich bei der Aufführung der Handwerker und deckt schonungslos die Fiktionalität des Theaters auf: Die „Wand“ ist keine Wand, der Löwe kein wirklicher Löwe, und der Mann im Mond hält nur eine Laterne in der Hand, nicht den Mond. Alles nur Theater.

Rosemarie Vielreicher (Foto Uli Scharrer, mehr Bilder auf idowa.de)

 

Bogener Zeitung | Landkreis Straubing-Bogen | 19.07.2014

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