Musik- und Theaterprojekte
Eine Erfolgsgeschichte bahnt sich an - Burgtheaterverein kann eine große Musical-Tradition begründen
Trotzdem sagt sich mancher Freund der darstellenden Kunst: Wenn schon Theater, dann Schauspiel, und wenn schon Singen auf der Bühne, dann Oper. Und so widmen sich auch die zahlreichen, sommerlichen Freilichtbühnen in Niederbayern/Oberpfalz fast ausschließlich dem Schauspiel, sei es in Form von traditionellen Historienaufführungen, wie beim "Trenck der Pandur" in Waldmünchen oder der "Agnes Bernauer" in Straubing, oder Mysterienspielen, wie beim „Further Drachenstich ", oder eben dem Schauspiel in Form von klassischen Stücken oder modernen und/ oder bairisch stilisierten Dramen, wie in Bad Kötzting und anderswo.
Es gibt nun mittlerweile allerdings einen (übrigens bekanntermaßen sehr malerischen) Ort im Landkreis Straubing-Bogen, der sich dem Massentrend widersetzt - und damit ganz offenbar am Anfang einer großen Erfolgsgeschichte steht. Der Burgtheaterverein Mitterfels hat im Jubiläumsjahr seiner zehnjährigen Burgfestspiele - die am Samstagabend zu Ende gingen - das Musical "My Fair Lady" (stammt übrigens nicht von Andrew Lloyd Webber) auf die Bühne gebracht, und nicht nur Beifallstürme eines vollends hingerissenen Publikums geerntet, sondern, was in diesen Kategorien der Laienschauspielkunst höchst selten ist, stehende Ovationen (zumindest war es bei der Aufführung am Donnerstagabend so), die schier gar nicht mehr enden wollten.
Nachdem es vor einigen Jahren mit einfacheren Stücken und Singspielen, wie der "Holledauer Fidel" oder "Lumpazivagabundus", die auch schon sehr, sehr ordentlich dargeboten wurden, begann, folgte "Das Wirtshaus im Spessart", vergangenes Jahr "Der Mann von La Mancha" . Damals glaubte man schon, die Mitterfelser Laienspielschar sei definitiv an ihren Grenzen angekommen, und doch hat sie es geschafft, die Grenzen noch einmal zu verschieben, gehörig auszudehnen, mit diesem Musical in die allererste Kategorie des ostbayerischen Laien-Freilichtspieltheaters (das ja mittlerweile an bald hundert Orten dargeboten wird) vorzustoßen. Mit an der Spitze jener Ensembles, die jedes Jahr spielen, marschieren nach wie vor die Bad Kötzinger, die Rimbacher (bei Bad Kötzting) oder die Falkensteiner. Sie haben sich eine jahrzehntelange Profession aufgebaut. Sie spielen - als Amateure - im semiprofessionellen Bereich. Bei ihnen hat, bzw. er macht es immer noch, der ostbayerische Theaterprofi und Intendant des Pfalz-Theaters Kaiserslautern, Johannes Reitmeier, ein gebürtiger Kötztinger, Regie geführt. Auch bei der „Bernauerin" in Straubing übrigens.
Und nun die Mitterfelser. Wo denn die bei den Hauptdarsteller Schauspielunterricht gehabt hätten, fragt der Autor dieser Zeilen, überrascht vom hohen Spielniveau, in der Aufführungspause einen Mitterfelser Kenner der Szene. "Nirgends", lautet die prompte Antwort. "Was heißt denn nirgends? Wo ist dieses Nirgends? Wollen Sie damit sagen, dass die äääh ... auf diesem Niveau ... äääh ohne jemals auch nur eine Minute Schauspielunterrricht ... ?" - "Genau so ist es, mein lieber Herr. Das ist Mitterfels!"
Gute Schauspielaufführungen gibt es an mehreren Freilichtbühnen, insbesondere im Bayerischen Wald. Selbige sind zum Teil auch noch malerisch bis romantisch gelegen, an Burgruinen, auf Bergeshöhen, inmitten von Wäldern. Aber wer nun kann schon mit einem weltbekannten Musical glänzen, und das in dieser Qualität in der Spitze und in der Breite des Schauspieleremsembles, der Sänger und Musiker! Wenn der Mitterfelser Burgtheaterverein auf diesem Wege weiter macht, stößt er nicht nur in eine große Lücke, dann hat er ein Alleinstellungsmerkmal, das weit um Aufsehen erregen wird, und er kann eine Erfolgsgeschichte schreiben, schneller als andere, die dazu Jahrzehnte gebraucht haben.
Der Mitterfelser Burgtheaterverein hat allerdings auch eine Institution im Rücken wie andere nicht, und für die das Musiktheater wie gerufen kommt: die Kreismusikschule, die zwar bei "My Fair Lady" ebenfalls ihre Grenzen vor Augen hatte, aber als geschlossenes musikalisches Ensemble bereits die vergangenen Jahre die Mitterfelser Aufführungen beflügelte und in diesem fulminant die Akteure nicht nur begleitete, sondern trieb. Und dazu noch der Singkreis, der den musikalischen Teil optimal ergänzt.
Ob sich freilich das "My-Fair-Lady"-Niveau Jahr für Jahr und beliebig wiederholen lässt, ist freilich eine andere und lange noch nicht beantwortete Frage. Und das Risiko ist gar nicht klein, dass sich der Burgtheaterverein übernimmt und das Ganze als Bumerang zurückkommt. 2011 zum Beispiel wird der männliche Hauptdarsteller, der des eingefleischten Junggesellen Professor Higgins, den Part des Herzogs Albrecht bei den Straubinger Bernauer-Festspielen übernehmen. Ob auch die Tatsache, dass die Bühnenanordnung und die Zuschauerränge auf der Mitterfelser Burg gedreht wurden, das Spiel beflügelt, ist definitiv nicht eindeutig beantwortet.
Apropos "My Fair Lady": Das Musical lief nach der Uraufführung im März 1956 fast sieben Jahre am Broadway in New York und brachte es dort auf 2281 Vorstellungen. So viele werden es in Mitterfels vermutlich nicht werden ...
Bericht : Kulturszene SR-Tagblatt 12.07.2010 ( B e r n h a r d S t u h l f e I n e r ), Bild : erö